Titel des Projektes:
Erwerbsarbeit, Familie und wohlfahrtsstaatliche Vergesellschaftung
- Der deutsche Sozialstaat im Umbauprozeß?


Gegenstand und Fragestellung:
Der ganzen Untersuchung geht es primär um die Frage, ob oder in welcher Form sich – unter den politischen Deutungen und Bearbeitungen der gegenwärtigen Rahmenbedingungen – ein Umbau des Wohlfahrtsstaates in der Bundesrepublik Deutschland beobachten und charakterisieren läßt. Dieser Frage soll – im Laufe der Untersuchung – mit der Fokussierung auf den Familienhaushalt als Verknüpfung zwischen der quasi öffentlichen Arbeits- und Produktionssphäre und der privaten Reproduktionssphäre, also als eine Koordination zwischen zwei unterschiedlichen Präferenz- und Vergesellschaftungslogiken, systematisch nachgegangen werden.

Forschungsprogramm
Im Projekt sind in erster Linie die Vorstellungen des Familienhaushaltes in der deutschen Sozialpolitik zu untersuchen, wobei ein möglicher Umbauprozeß im letzten Jahrzehnt beurteilt und analysiert wird. Es soll zuerst – mit einer analytischen Bearbeitung der Literatur – klargestellt werden, daß das Modell des „männlichen Alleinverdieners in Verbindung mit der Hausfrauenehe“ als Familienhaushalt-Leitbild des deutschen Sozialstaat galt, da dessen Sozialpolitik spezifische Restriktionen und Ermöglichungsstrukturen enthielt, welche die Haushaltsentscheidungen für das Versorgermodell unterstützen. Zur Überprüfung der Frage, ob oder in welcher Form mit der gegenwärtigen Sozialpolitik eine Veränderung des Leitbildes stattfindet, müssen dann die Reformen und Veränderungen auf den Sozialpolitikfeldern der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik im letzten Jahrzehnt sowie die parlamentarischen Begründungen dieser Veränderungen thematisch und inhaltlich analysiert werden.

Bezug zum Rahmenthema des Graduiertenkollegs
In den Sozialwissenschaften gibt es seit geraumer Zeit eine Diskussion darüber, ob und wie der deutsche Sozialstaat sein Gesicht mit seinen Reaktionen auf gegenwärtige Probleme gewandelt hat bzw. derzeit noch wandelt. Dennoch beschränkt sich die ganze Diskussion meistens in Anlehnung an die klassische politische Ökonomie weitgehend auf die Beziehungen zwischen Staat und Markt, wobei die Reproduktionssphäre als uniform und stabil vorausgesetzt wird. Die sozialpolitische Koordination zwischen Produktions- und Reproduktionssphäre wird also nicht konzeptuell in die Identifizierung des wohlfahrtsstaatlichen Umbausprozesses einbezogen, wodurch eine gewisser „blinder Fleck“ entsteht. Es wird im Lauf der Untersuchung versucht, diese sozialpolitische Koordination mit dem Begriff des Familienhaushaltes analytisch zu identifizieren, damit unsere Erkenntnis über die Entwicklung des deutschen Sozialstaates als eines wichtigen Sozialmodells in Europa erweitert werden kann.