Susanne Brauer, PhD
Fellow von Juni 2011 bis August 2011
Ph.D., Affiliierte Wissenschaftlerin am Institut für Biomedizinische Ethik, Universität Zürich, Schweiz und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, Schweiz
Geboren 1973 in Köln, Deutschland
Studium der Philosophie und Germanistik in Wuppertal, Münster und Chicago
Forschungsvorhaben:
Soziale Autonomie in der Geburtshilfe
Ausgehend von meinen Arbeiten in der Sozialphilosophie und meiner kritischen Auseinandersetzung mit Hegels Thesen zur Familie als eine aus seiner Sicht ethisch relevanten und Freiheit fördernden gesellschaftlichen Kerninstitution beschäftige ich mich in der Biomedizinischen Ethik vor allem mit dem Konzept der sozialen Autonomie. In einem Teilprojekt möchte ich untersuchen, wie soziale Autonomie in der Geburtshilfe konzipiert werden könnte. Für eine normativ-begriffliche Analyse, in welcher die Bedingungen der Möglichkeit von autonomem Entscheiden und Handeln formuliert werden sollen, scheinen mir drei Dimensionen relevant zu sein.
Erstens ist der Relationalität des Menschen Beachtung zu schenken. Sie drückt sich zum einen in der empirischen Tatsache aus, dass Menschen stets in sozialen Beziehungen (zu Familienangehörigen, nahe stehenden Personen, Pflege- und Medizinalpersonal) stehen, und diese Beziehungen die Möglichkeit ihres selbstbestimmten Entscheidungs- und Handlungsspielraumes grundsätzlich prägen. In der Geburtshilfe kommt die Beziehung zum Embryo/Säugling hinzu. Darüber hinaus scheinen mir zum anderen auf begrifflicher Ebene Anerkennungsverhältnisse und das davon abhängende Selbstbild und Selbstwertgefühl Voraussetzungen – und im Falle „erfolgreicher“ Anerkennung – auch Ausdruck gelungener Selbstbestimmung zu sein.
Zweitens ist das Augenmerk verstärkt auf institutionelle und strukturelle Voraussetzungen der Entfaltung von Selbstbestimmung(sfähigkeit) zu lenken. Beispielsweise bedeutet eine Vielzahl von diagnostischen und präventiven Entscheidungen, die Schwangere während ihrer medizinischen Betreuung zu treffen haben, nicht automatisch eine Steigerung ihrer Autonomie. Zugleich haben Schwangere keine oder kaum Möglichkeiten, sich solchen Entscheidungssituationen zu entziehen.
Drittens möchte ich den Gedanken weiter verfolgen, dass das Verhältnis zum eigenen Körper ein entscheidendes Moment für Ausbildung und Gebrauch von Autonomiefähigkeit ist. Gerade dieses Körperverständnis und -gefühl ändert sich mit der Schwangerschaft und Geburt und muss in ein neues Gleichgewicht gebracht werden. Daher scheint mir dies ein gutes Beispiel zu sein, um eine grundsätzliche Dimension der Körperlichkeit in einer Autonomie-Konzeption herauszuarbeiten.
Eine grundlegende methodische Herausforderung besteht in dem Anspruch, eine normativ-begriffliche Analyse von Autonomie zu leisten, die zugleich auf empirische Untersuchungen und Beobachtungen zurückgreift. „Übersetzungsschwierigkeiten“ ergeben sich in zwei Richtungen. Einerseits ist der Status empirischer Erkenntnisse in einer philosophischen Analyse zu bestimmen. Andererseits ist zu fragen, wie sich die Ergebnisse einer normativen Analyse in die Praxis der Geburtshilfe „rückübersetzen“ lassen.
Ausgewählte Publikationen:
Brauer, S. 2010: Der Einfluss der Ethik auf das Recht am Beispiel der Stellungnahme zur Forschung mit Kindern der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE) in der Schweiz, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 4:445-457.
Biller-Andorno, N. and S. Brauer (eds.). 2010. Advance Directives from a cross-cultural perspective. Bioethics 24:3. Editorial ii-iv.
Brauer, S. 2009. Age rationing and intergenerational justice. Journal of Medical Ethics 35: 27-31.
Brauer, S., Wiesemann, C. und N. Biller-Andorno (Hg.): Zwischen Selbsterklärung und Selbstbestimmung – Patientenverfügung im kulturellen Kontext. Sonderband Ethik in der Medizin 20(3).
Brauer, S. 2008. „Die Autonomiekonzeption in Patientenverfügungen – Die Rolle von Persönlichkeit und sozialen Beziehungen“ in S. Brauer, C. Wiesemann und N. Biller-Andorno (Hg.) Zwischen Selbsterklärung und Selbstbestimmung – Patientenverfügung im kulturellen Kontext. Sonderband Ethik in der Medizin 20(3): 230-239.
Brauer, S. 2008. „Der Begriff der Person im Kontext einer kulturübergreifenden Bioethik“ in N. Biller-Andorno, A. Schulz-Baldes und P. Schaber (Hg.): Gibt es eine universale Bioethik? Paderborn: Mentis, 211-224.
Brauer, S. 2007. Natur und Sittlichkeit: Die Familie in Hegels Rechtsphilosophie. Freiburg/München: Alber Verlag.