Dr. Daliah Bawanypeck
Von Oktober 2010 bis Juli 2011
Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin (Wissenschaftsgeschichte) im Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen", Goethe-Universität Frankfurt, Forschungsprojekt (Habilitation): „Zur Funktion von Standardisierungen bei der Wissensüberlieferung in Mesopotamien“
Geboren 1963 in Berlin, Deutschland
Studium der Altorientalistik, der Vorderasiatischen Archäologie und der Rechtswissenschaften an der FU Berlin
Forschungsvorhaben:
Die Verortung der mythologischen Texte der Hethiter
Die mythologischen Texte der Hethiter sind überwiegend aus den Archiven ihrer Hauptstadt Hattusa überliefert. Dort fanden sich neben einheimischen anatolischen Mythen auch eine erhebliche Zahl von Texten syrisch-mesopotamischen Ursprungs (hurritische, babylonische und einige wenige westsemitische Mythen). Das Textkorpus wurde kürzlich in digitalisierter Form durch ein Projekt der Philipps Universität Marburg unter Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Rieken in Kooperation mit dem Hethitologie Portal Mainz zugänglich gemacht. Die digitale Publikation bietet eine hervorragende Ausgangslage für die Untersuchung der Verortung, den „Sitz im Leben“, der mythologischen Texte der Hethiter.
Die anatolischen Mythen stehen in kultischem Kontext. Sie sind vielfach in Festrituale integriert und wurden während des Festverlaufes rezitiert, vielleicht auch szenisch aufgeführt. Die Untersuchung der innertextlichen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Mythen (bzw. Mythemen) und den dazugehörigen Ritualen und sonstigen Texten soll nicht nur der Klärung der aitiologischen Funktionen dienen, sondern auch Aufschluss über die situativen Kontexte geben, in denen diese Texte Verwendung fanden. Die fremdsprachigen Mythen hingegen stehen als Erzählungen für sich und sind nicht in Ritualtexte integriert. Möglicherweise wurden auch hurritische Mythen, die als „Lied“ bezeichnet sind, mündlich vorgetragen. Hier ist sowohl eine Verortung im Kult zu erwägen, als auch die Aufführung zu Unterhaltungszwecken bei sonstigen Anlässen (z.B. bei Festen im Palast).
Fremdsprachige Texte wurden auf Veranlassung der hethitischen Herrscher nach Hattusa gebracht. Im Hinblick auf die nicht-anatolischen Mythen und ihre hethitischen Adaptionen ist zu vermuten, dass sie zusammen mit anderen sumerisch-akkadischen und hurritischen Textkompositionen als Schulliteratur und aus Interesse an den Wissensbeständen der Nachbarkulturen aufbewahrt wurden.
Für die Untersuchung der Verortung der mythologischen Texte sind auch die jeweiligen Fundorte der Texte (sofern sie bekannt sind) relevant. In Hattusa gibt es eine beträchtliche Anzahl von Archiven, die – nach ihrer Lage und den in ihnen erhaltenen Texten zu urteilen – unterschiedlichen Zwecken dienten. Die Organisation der hethitischen Wissensbestände ist in jüngster Zeit Gegenstand der Fachdiskussion. Darauf aufbauend kann die Frage nach der Herkunft der mythologischen Texte, ihrer Verteilung in den Archiven und den Texten, die mit ihnen gemeinsam gelagert waren, zur Klärung ihres „Sitzes im Leben“ beitragen.
Ausgewählte Publikationen:
Bawanypeck, D. 2007. „Die Königinnen auf den Siegeln“ in: A. Archi - R. Francia (Hg.): Acts of the VI. International Congress of Hittitology, Rome, 05.-09.2005. (Studi micenei ed egeo-anatolici 49), Rom: pp. 49-58.
Bawanypeck, D. 2006. "Die hethitischen Königssiegel vom Westbau des Nisantepe in Bogazköy-Hattusa" in D.P. Mielke, U.-D. Schoop und J. Seeher (Hg.): Strukturierung und Datierung in der hethitischen Archäologie (BYZAS 4). Istanbul: Veröffentlichungen des Deutschen Archäologischen Instituts: pp. 109-123.
Bawanypeck, D. 2005. Die Rituale der Auguren (Texte der Hethiter 25). Heidelberg: Winter.
Bawanypeck, D. 2005. "Arzawäische Ritualpraktiken – Informationen aus Hattusa" in D. Prechel (Hg.): Motivation und Mechanismen des Kulturkontaktes in der späten Bronzezeit (Eothen 13). Florenz: LoGisma, pp. 1-18.
Haas, V. unter Mitwirkung von D. Bawanypeck. 2003. Materia Magica et Medica Hethitica: Ein Beitrag zur Heilkunde im Alten Orient. Vol. I und II. Berlin / New York: de Gruyter.