Gerhard Lauer: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer kleinen Aufklärung. Göttingen: Wallstein 2008. 436 S.
Nicht ein Schwinden, sondern ein Zuviel an Religion führte zur Entstehung der jüdischen Aufklärung.
Seit mehr als einem Jahrhundert ist umstritten, wie es zur Entstehung der jüdischen Aufklärungsbewegung, der Haskala, kam, die am Beginn des neuzeitlichen Judentums steht. Nach der gängigen Auffassung war es ein Prozess der Säkularisation, der das Judentum aus der von Tradition und Orthodoxie bestimmten frühneuzeitlichen Welt herauslöste.
Gerhard Lauer argumentiert anders: In den Jahren 1680 bis 1770 glaubten viele, das Kommen des Messias stünde unmittelbar bevor und Religion sei notwendiger denn je. Diese »Rückseite der Aufklärung« trieb die Entstehung der Aufklärung im Judentum voran.
Gerhard Lauer vergleicht die Entwicklungen der aschkenasischen Kultur in den deutschsprachigen Territorien mit denen in den Niederlanden, in England oder Italien; anhand von frommen Sittenbüchern, Fabeln, Missionstraktaten ebenso wie von Gebetbüchern, philosophischen Werken und häretischen Schriften entwirft er die Kulturgeschichte einer fremden Welt, die am Anfang der vertrauten modernen jüdischen Geschichte und Kultur steht.